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Gasanstalt - Gaswerk Geschichte

Nach der Wende ins 20. Jahrhundert begann für Nastätten die Metamorphose vom Marktflecken zur Kleinstadt mit zunehmender zentralörtlicher Bedeutung: Die Linien der Nassauischen Kleinbahn zum Rhein wie zur Aar förderten ganz entscheidend den Personen- und vor allem den Güterverkehr im nordwestlichen Taunus, also zwischen Rhein, Lahn, Aar und Wisper. Und mit den Spindlerwerken kam die erste nennenswerte Industrie ins Blaue Ländchen, das von Landwirtschaft und Handwerk dominiert wurde. Gleichzeitig wuchs das Bedürfnis nach einer zentralen Versorgung von Straßenbeleuchtung und Häusern wie nach Kraft für die zunehmende Zahl von Maschinen. Mit der 1881 eingerichteten Petroleum-Straßenbeleuchtung gab es zahlreiche Reklamationen und geheizt und gekocht wurde damals ausschließlich mit Holz- und Kohleöfen. Um 1900 setzten etwa sieben Jahre der Entscheidungsfindung zwischen Elektrizität und Leuchtgas ein. Leicht nachzulesen in den alten Jahresausgaben des in Nastätten erscheinenden Rhein-Lahnanzeigers im Stadtarchiv, noch leichter in den von Hobby-Heimatforscher Helmut Steeg sehr gewissenhaft gesammelten Berichten und Annoncen zu diesem Themenkreis.

Die Zeitungsredaktion und mit ihr wohl auch die Mehrheit der Bevölkerungsmeinung bevorzugte eine zentrale Elektrizitätsversorgung. Umso mehr muss ein Zeitungsbericht vom Februar 1906 überraschen von einem stark besuchten Vortrag von Oberingenieur Wortmann von den Mainzer Siemens-Schuckert-Werken. Er hatte deutlich die Vorteile der Elektrizität herausgestellt, ohne ihre Schwächen gegenüber einer zentralen Gasversorgung zu verschweigen. Die städtischen Körperschaften waren - so die Zeitung - fast vollständig zur Stelle, hüllten sich aber „in andachtsvolles Schweigen“. Nur wenige Tage später sprach ein Ingenieur Hartmann aus Berlin im überfüllten Saal der „Alten Post“ über Steinkohlengasglühlicht für Licht-, Kraft- und Kochzwecke. Und als es im Juli in öffentlicher Sitzung um die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung und des Magistrats ging, gab es erst bei zahlreichen Stimmenthaltungen eine dünne Mehrheit für ein Gaswerk.

Die Vorarbeiten begannen, ein etwa 1 Morgen großes Baugrundstück in der Brückwiese. Erst im Mai 1908 konnte die Gasanstalts-Betriebs-Gesellschaft zu Berlin mitteilen, dass sie auf ihren Grundstücken nahe Mühlbach und Kleinbahnstrecke nach Zollhaus eine „Steinkohlen Gas Anstalt“ errichten werde. Die Bauleitung übernahm Ingenieur Brockhaus, der bei Gasmeister W. Ludwig im nahen „Rhein-Hotel“ wohnte.

Es entstand ein schmucker Ziegelsteinbau mit zahlreichen Verzierungen. Damit hatte Nastätten nun als einzige Stadt im Kreis St. Goarshausen eine zentrale Gasversorgung. Rasch rüsteten Hausbesitzer ihre Grundstücke um für eine zentrale Gasversorgung, und auch die Arbeiten am Straßen-Rohrnetz machten gute Fortschritte. Zum Bau der Gasanstalt suchte man 20 Erdarbeiter, die Bauarbeiten übernahm Maurermeister Carl Hehner. Anfang Oktober feierte man das Richtfest für den Gasbehälter (Gasometer). Und am 13. Oktober 1908, kurz vor ihrer Eröffnung, waren schon über 100 Hausanschlüsse durchgeführt worden. Wenige Monate später appellierte die Gasanstalts- Betriebsgesellschaft m. b. H. an anschlusswillige Hausbesitzer, sich umgehend anzumelden. Andernfalls sei wegen der bevorstehenden Pflasterung der Straßen mit erheblichen Mehrkosten für einen Anschluss zu rechnen. Dazu drohte der Magistrat: „Nach der Fertigstellung des Pflasters werden wir zu Straßenaufbrüchen keine Genehmigung mehr erteilen“.

Natürlich gab es in den Folgejahren einige Probleme, teils auch durch den 1. Weltkrieg verursacht: Klagen über die Koksqualität, ein Fischsterben im Mühlbach, unangenehme Gasgerüche. Die Anzahl der Hausanschlüsse stieg dennoch auf über 400. Am 1. Mai 1920 kaufte die Stadt ihre Gasanstalt als „Einrichtung für die Zwecke der Allgemeinheit“ für 255.000 Mark, behielt aber die bewährte Leitung bei.

Im Juli 1925, also erst verhältnismäßig spät schloss die Stadt mit den Mainkraftwerken (MKW) einen Vertrag über die Elektrifizierung ab. Das Gaswerk aber arbeitete bis über den Zweiten Weltkrieg hinaus. Am 30.November 1958 erfolgte die Stilllegung, punktgenau ein halbes Jahrhundert nach seiner Inbetriebnahme.

„Mit dem Kommando ‚Das Ganze halt!‘ geht eine Epoche der Nastätter Geschichte zu Ende“, schrieb damals der Rhein-Lahn-Anzeiger. Er irrte sich: Zwar wurde hier nun kein Gas mehr produziert, doch dem schmucken Backsteinbau scheint ein langes Leben beschieden. Zunächst richtete die Stadtverwaltung hier ihren Bauhof ein, wozu einige hässliche Anbauten erfolgen mussten, die nach dem Umzug des Bauhofes in die Innenstadt 2022 beseitigt wurden. Übrig blieben nur das Werksgebäude und ein Wohnhaus mit Garten. Ein heimischer Unternehmer bot den Ankauf an mit der erklärten Absicht, hier eine Gastronomie mit besonderem Flair einzurichten.

Gaswerk Nastätten

Bauabsicht für ein Gaswerk vor allem für die Betreibung der Straßenbeleuchtung bestand seitens des Magistrats und Stadtverordnetenversammlung seit 1901. Aufgrund geringen finanziellen Spielraumes der Stadtkasse, die durch Straßenpflasterung und Wasserleitungsbau stark beansprucht gewesen war, konnte das Projekt jedoch erst im Jahre 1908 verwirklicht werden.

Tageskapazität: 400-800 cbm. Als Betreiber fungierte zunächst die Gasanstalt - Betriebsgesellschaft m.b.H., Berlin. Später wurde das Werk von der Stadt übernommen.

Zuerst wurde auf Steinkohlebasis Gas erzeugt.

In den Jahren 1911/12 hatte man jedoch auf Oelteergas umgestellt, in der Hoffnung, die Energie billiger produzieren zu können. Die Oelteergasanlage arbeitete aber nicht zufriedenstellend und konnte die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen, weshalb es zum neuerlichem Umbau 1912/13 wieder, wie in den Anfangszeiten, mit Steinkohle Ga erzeugt werde.

In beiden Weltkriegen konnte das Werk wegen Beschränkungen der Kohlevorräte mehrfach nicht mit voller Leistung gefahren werden.

Der Stadtrat kam im Jahre 1957 aufgrund einer Übersicht über die Verluste des Gaswerkes seit der Währungsreform von 57.117,14 DM zu dem Beschluss, das Werk - besonders wegen ständig steigender hoher Kohle- und Frachtkosten - per 1. Oktober 1958 stillzulegen.

Damit war das Nastätter Gaswerk genau 5o Jahre im Betrieb.

Anmerkung: in derselben Ratssitzung vom 09.08.57 wurde bereits die Möglichkeit eines Anschlusses der Stadt an ein Ferngasnetz erörtert.

start/projekte/gasanstalt.txt · Zuletzt geändert: 2023/01/17 14:13 von admin